Der Senf wurde als Würze von Fleischspeisen schon in der Völkerwanderungszeit verwendet. "Den Senf dazu geben" wurde zunächst in der Bedeutung gebraucht: "Durch Witze und Derbheiten ein Gespräch würzen", dann "das schärfste Wort dazu sagen", und schließlich erhielt es einen verächtlichen Sinn. (nach Heinrich Raab: Deutsche Redewendungen, Wien 1981)

Dienstag, April 08, 2008

Komm nicht in meine Nähe

Ich glaube ich leide an einer Phobie. Bisher habe ich sie im Netz nicht ausfindig machen können. Wildfremde Menschen rücken mir tagtäglich auf die Pelle. Es gibt Dinge, mit denen ich mich bereits arrangiert habe: Supermarkt-Kassenschlange - der heiße Atem im Nacken vom Hintermann; Autofahren - dichtes Auffahren, obwohl ich keine Aufkleber habe, die nur bei Nähe identifiziert werden können.
Videothek: Ein mir fremder Kunde und ich sind die einzigen möglichen Ausleiher. Ich stehe bei einem Film, der wahrscheinlich im ganzen Jahr zweimal ausgeliehen wird (so eine Komödie mit Rudi Carrell und Karl Dall). Plötzlich steht der Suchende neben mir, nicht das die Anwesenheit direkt an meiner Seite mich bereits stört, zudem niest er noch, zwar in seine Hand, aber die Bazillen kommen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 180 km/h aus seinem Körper. Gesundheit, denke ich, aber sage es nicht.
Kino: Eines der heutigen Riesenkinos mit mehr Sitzplätzen als Einwohner in der Stadt. Der Film hat keine Starbesetzung, kein Brad Pitt, Tom Hanks, Jodie Foster oder Nicole Kidman. Die Platzauswahl ist somit reichhaltig. Ich verstaue meine dicke Winterjacke auf dem Sitz rechts neben mir. Linker Hand sitzt mein Arbeitskollege. Da kommen sie: Zwei Freundinnen, bewaffnet mit Cola und Popcorn, und wo wollen sie sich hinsetzen? Natürlich, dort wo meine Jacke liegt. Wäre es ein Horrorfilm gewesen und die Dame neben mir hätte aus Angst in einigen Szenen ihr Gesicht in meine Brust gedrückt, hätte ich vielleicht die Nähe akzeptiert. Aber nur vielleicht, so hübsch war sie nun auch wieder nicht.
Was drängt den Menschen in den Sicherheitsabstand des gegenüber hinein? Von der Mutter zu kurz gestillt worden? Nein, mit Liebe oder wärmenden Körpern hat das nichts zu tun. Es scheint ein Ausschalten der Umgebung zu sein. Sie fühlen sich allein auf weiter Flur. Hat auch was bewundernswertes. Andererseits kann es auch gefährlich sein. Mehrfach habe ich bereits erlebt, dass Menschen in meine glimmende Zigarette hinein gelaufen sind, dies jedoch nicht bemerkt haben.
Zum Abschluss, die drehenden Eingangstüren in großen Einkaufszentren: Im letzten Moment schiebt sich eine Person in eine solche Drehtür hinein. Ihr ahnt es schon, ich befinde mich bereits allein in diesem Raum, zwischen Draußen und Drinnen. Der Weg in den Markt wird frei, mein kurzer Mitbewohner stürmt an mir vorbei in die großzügig beleuchtete Halle, bleibt plötzlich stehen, als wollte er sagen: "Ich bin da!" Umständlich muss ich ihn umgehen, da mir sonst die nachfolgende Drehtür die Füsse rasiert.